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14. Erinnerungstag im deutschen Fußball am 27. Januar

Der 27. Januar 1945, der Befreiungstag der Überlebenden von Auschwitz, erinnert die Fußballfamilie bis heute schmerzlich daran, dass sie sich nicht schützend vor ihre jüdischen und vom Nationalsozialismus verfolgten Mitglieder gestellt hat, als es um deren Überleben in der Diktatur ging. 

Schon unmittelbar nach der Machtergreifung am 19. April 1933 forderten der Süddeutsche Fußballverband und der DFB die Vereine auf, ihre kommunistischen und jüdischen Mitglieder auszuschließen. Alle folgten dieser Weisung ohne Widerspruch. Ohne Not und oft in vorauseilendem Gehorsam entzog man den Verstoßenen ihre Vereinszugehörigkeit. Das hatte schreckliche Folgen: Wer nicht fliehen konnte oder versteckt wurde, wer nicht an Krankheit oder den Folge der Folter starb, wurde in den Gaskammern der Vernichtungslager oder bei Massenexekutionen ermordet.

Kurt Landauer, der Präsident des FC Bayern, und der vielfache deutsche Nationalspieler Julius Hirsch stehen stellvertretend für jene der Verfolgten, die sogar von sich aus die Mitgliedschaft in ihren Vereinen niederlegten, um dem für sie so demütigenden Ausschluss zuvor zu kommen. Viele taten das auch, um Ihre Mannschaft zu schützen. 

Im letzten Satz des Austrittsschreibens an den Vorstand des Karlsruher FV  spiegeln sich der Schmerz und die Empörung des genialen Fußballspielers und Patrioten Julius Hirsch über den ungerechtfertigten Ausschluss wider: 

"Nicht unerwähnt möchte ich aber lassen, dass in dem heute so gehassten Prügelkinde der deutschen Nation es auch anständige Menschen und vielleicht auch viel mehr national denkende, durch das Herzblut vergossene deutsche Juden gibt." 

Im März 1943 wurde Julius Hirsch im KZ-Auschwitz ermordet. Auch nach dem Ende des Krieges vergaß der Fußball lange Zeit seine geflohenen und ermordeten Familienmitglieder – sei es aus Scham oder aus verdrängten Schuldgefühlen. 

Auf den Jahresabschlussfeiern wurden die Namen der preisgegebenen Spieler, Funktionäre, Förderer und einfachen Mitglieder nicht genannt. Es erhob sich niemand, um sie zu ehren.  Erst Schritt für Schritt gewann die Einsicht an Boden, dass es Zeit wird, nach der Katastrophe des Holocaust den vergessenen Mitgliedern der Fußballfamilie endlich ihre Ehre zurück zu geben und sich ihrem Leid und dem ihrer Familien zuzuwenden. 

Zum 27. Januar 2018, dem "14. Erinnerungstag im deutschen Fußball", kann öffentlich gemacht werden: Die Fußballfamilie erinnert sich an ihre vergessenen, verfolgten und ermordeten Mitglieder und sie ehrt sie. 

Die  jungen Fußballfans und die Verantwortlichen in den Fanprojekten öffnen sich für die Geschichte der Vereine und gehen auf Spurensuche nach ihren "verlorenen Helden".  Sie sprechen mit Zeitzeugen, besuchen KZ-Gedenkstätten - und sie sind dabei, wenn ihr Club oder das Vereinsmuseum Stolpersteine verlegen. Oftmals geben sie selbst den Anstoß dazu. 

Sie initiieren mit den Preisgeldern des "Julius Hirsch Preises" eigene Stiftungen und neue Preise. In der Kurve setzen sie Zeichen durch großartige Choreografien.

Wenn an den Spieltagen um den 27. Januar Profiteams mit Shirts auflaufen, auf denen steht "Kein Fußball den Faschisten" oder mit dem Logo von "!Nie wieder", dann nimmt der Profifußball die Mahnung der KZ-Häftlinge an die Nachgeborenen auf und bringt ihre Botschaft auf den Platz und damit auch ins Spiel.  

Das Gleiche gilt für den Amateurfußball. Das "!Nie wieder" wird in unseren Tagen von ungezählten Amateurvereinen gelebt, die sich mit großer Empathie für geflüchtete Menschen einsetzen, die in ihrem Heimatort angekommen sind, um Schutz zu finden. Jenen Verfolgten von heute bieten sie neben dem Sport in ihren Vereinen auch einen Ort für Beziehung und Orientierung im Alltag an. 

Wenn der DFB und seine Kulturstiftung zum 75. Todestag von Julius Hirsch im März 2018 zu einer generationsübergreifenden Studienreise nach Auschwitz einlädt und die DFL zum Thema "Erinnerungskultur und politische Bildung" den Fanprojektmitarbeiter*innen und Fanbeauftragten eine Fortbildung vor Ort anbietet, dann sind das folgerichtige Schritte. 

Im Lernen aus der eigenen Geschichte verbindet sich die deutsche Fußballfamilie mit dem großen Walther Bensemann. Die Werte, die er als Gründer und Chefredakteur des "kicker" dem deutschen und europäischen Fußball mit auf den Weg gegeben hat, haben bis heute nichts von Ihrer Gültigkeit verloren. 

Dass solches nie wieder geschehe, dazu ermuntert er die Fußballfamilie in seiner "kicker"- Glosse vom 21. November 1923. Er schrieb sie gegen die Verherrlichung des Krieges, gegen die Antisemiten, die Völkischen, die Populisten, gegen die Nationalisten und Antieuropäer. 

Und er schrieb sie auch für die 14. Kampagne des "Erinnerungstages im deutschen Fußball":  

"Es ist […] möglich, dass alles, was ich schreibe, […]  als Hirngespinste, als undurchführbare Theorien eines weltfremden unpraktischen Pazifisten gelten wird. […]  Aus ethischen, sozialen und nationalen Gründen kenne ich nur ein Endziel, das erstrebenswert wäre: Die Vereinigten Staaten Europas."

Als Deutscher jüdischer Herkunft musste Walther Bensemann 1933 vor den Nazis fliehen, und starb nur wenig später in seinem Schweizer Exil.


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